#MeToo

Ich hab nie ein Foto davon gemacht, wie ich gerade irgendwo drauf liege, mir keinen Eimer Eiswasser über den Kopf geschüttet und keine Bilder von vor 10 Jahren gepostet, ich verschicke keine Kettenmails per WhatsApp und schreibe kein Amen unter die Bilder von toten Kindern.

Ich bin mir der medialen Aufmerksamkeit bewusst und ich verschließen meine Augen wenig vor den Dingen, die in unserer Welt passieren, nur häufig muss ich mir eingestehen, dass Dinge, die mich, wenn überhaupt, nur peripher betreffen, auch in meinem Augenmerk einen geringen Stellenwert bekommen.

Ich wünschte, ich könnte das auch über diese Aktion sagen.

Sexuelle Übergriffe sind in unserer Gesellschaft legitim, gewollt oder zumindest geduldet.

Es ist ja in Ordnung, wenn der Bäcker von nebenan mit nackten Brüsten für seine Backwaren wirbt. Nein.

Es ist nichts Verwerfliches daran einer Frau zu sagen, dass sie einen tollen Ausschnitt hat. Doch.

Es ist schon okeh dem Kollegen auf den Arsch zu hauen. Nein.

Wenn eine Frau sich so anzieht, will sie doch angefasst werden. Nein.

Wenn eine Frau einen Mann in der Disko ungefragt küsst, ist das ja eine Bestätigung für den Mann. Nein.

Mit diesem Verhalten muss man sich nicht wundern. Doch.

Die macht es doch mit jedem, die wollte das doch sicher. Nein.

Sieh das doch einfach als Kompliment an. Nein.

Die ist zwar dumm, sieht aber geil aus, die würde ich auch gerne ficken. Fick dich.

Ich habe das Recht nackt über ein Festivalgelände zu gehen, ohne vergewaltigt zu werden.

So ziemlich jede Frau und jeder Mann hat Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen, auch wenn viele es nicht sehen wollen, manche es sich nicht eingestehen und es einigen nicht zugestanden wird.

Die junge Frau, die die anzüglichen Kommentare von Männer scheinbar genießt, der Mann, der die Übergriffe von seinen Kolleginnen als Kompliment sieht, die Kollegin, die immer den obersten Knopf aufmacht, um einem Kerl aufzufallen, der Kerl, der von seinen Kumpels belächelt wird, weil er sich über die fremde Hand auf seinem Knie beschwert, der Kumpel, der keine Bilder mehr von dem Geschlecht seiner Ex-Freundin bekommen möchte, die Ex-Freundin, die weiter für sexuelle Gefälligkeiten zur Verfügung steht, weil sie sich mehr davon verspricht. Schlussendlich aber auch das Anfassen, das Bedrängen, das Nötigen, das Vergewaltigen.

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Was die Thematik noch schlimmer macht als da die Tatsache per se, wird als Victim blaming bezeichnet, Opferbeschuldigung. Vom kurzen Rock bis hin zum Kneipenbesuch mit Alkohol. Da wird einem Menschen nicht nur Gewalt angetan, dann wollte dieser Mensch es auch noch, durch das Verhalten, die Kleidung, den Tanzstil, die Auswahl der Getränke. Ganz klar, ein Grund für einen Sexuellen Übergriff gibt es immer: der Täter ist ein Arsch.

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Nun gibt es auch immer wieder Stimmen, die fragen, ob einer denn sowas in sozialen Netzwerken verbreiten darf, so was ist ja schließlich intim und privat. Nein, ist es nicht und ja, man muss sogar. Frauen und Männer, die Opfer von sexueller Gewalt wurden, brauchen Zuspruch und niemanden, der weg sieht, sie brauchen Unterstützung und keine Ignoranz. Sie brauchen Menschen, die sie verstehen und vielleicht auch das wissen, dass sie nicht alleine sind.

Wir müssen aufhören Opfer schlecht dastehen zu lassen und anfangen Täter anzuklagen, wir müssen aufhören weg zu sehen und/oder Menschen, die ihre Geschichte erzählen. Wir müssen aufhören Menschen als mutig zu bezeichnen, die von Gewalterfahrungen sprechen, es darf doch keinen Mut erfordern zu sagen, dass einem etwas schlimmes angetan wurde. Alleine sprachlich macht es Opfer schon zu Mittätern.

Passt auf die Menschen um euch auf und seid für einander da.

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